Tour de Tirol, Söll, Söller Zehner 2018

Die Tour de Tirol ist ein 3-Tages-Rennen. Insgesamt 75 Kilometer und 4000 Höhenmeter werden absolviert. Das Highlight ist der Kaisermarathon. Dabei werden 2400 Höhenmeter bis ins Ziel auf die Hohe Salve zurückgelegt. Im folgenden berichten wir über Tag 1 und 2 unserer Tour de Tirol 2018. Am ersten Tag sind 10 Kilometer mit 300 Höhenmeter zu absolvieren, an Tag 2 der bereits erwähnte Kaisermarathon.

Wenn es erstens anders kommt und zweitens als man denkt…

Die Tour de Tirol sollte eigentlich unser Abschlusshighlight 2018 werden. Nach dem UTLW (Hannah), Carstens Langdistanz-Debüt in Roth und einem weiteren Ultralauf in der Staffel beim Mauerweglauf (Hannah) hatten wir das 3-Tages-Rennen als abschließenden A-Wettkampf in 2018 geplant. Doch ein „Sommerfall“ veranlasste uns dazu, unsere Pläne zu ändern.

Im Juni stürzte ich beim Traillaufen auf einer Naturtreppe. Das kann passieren. Leider war der Sturz so unglücklich, dass ich mir das Steißbein brach. Das bedeutete 3 Wochen komplette Sportpause gefolgt von einem vorsichtigen Wiedereinsteig. Somit wurde unsere Planung ordentlich durcheinandergewirbelt. Meine Teilnahme am Mauerweglauf musste ich leider absagen. Und auch eine ausreichende Vorbereitung für die Tour de Tirol war nicht mehr möglich.

Tour de Tirol, Kaisermarathon
Wo ein Wille ist … (Foto by Sportograf)

Daher entschlossen wir uns nicht mehr auf die Tour de Tirol zu trainieren, sondern stattdessen den Trainingsfokus bereits auf die Saison 2019 zu legen. Wir würden zwar nach Tirol fahren, denn schließlich war ja bereits alles gebucht. Aber ich würde nur den Söller Zehner am ersten Tag und eventuell den Pölventrail an dritten Tag laufen. Den Kaisermarathon am zweiten Tag zu laufen, war zu diesem Zeitpunkt eine mehr als unrealistische Vorstellung. Carsten wollte spontan schauen, ob er die gesamte Tour angeht.

Soweit, so gut. Die Trainingswochen im August und September verliefen für uns recht ordentlich. Da wir bereits auf 2019 schauten, lag der Trainingsfokus auf Kraft- und Mobilitytraining. Ausdauertraining fand für uns nur sehr reduziert statt. Im August verbrachten wir ein langes Wochenende in Kärnten, wo wir am Halbmarathon von Kärnten Läuft teilnahmen und zwei Wanderungen mit insgesamt 2200 Höhenmetern absolvierten. Das waren auch schon die gesamten Höhenmeter, die wir im Sommer nach meinem Start beim UTLW Anfang Juni zurücklegten.

Als wir Donnerstags nach Tirol fuhren, war uns trotzdem klar, dass wir beide zumindest an den Start des Kaisermarathons am Samstag gehen würden. Ich ging davon aus, dass ich die Cut-Off-Zeiten nicht schaffen würde und damit auf der Strecke aus dem Rennen genommen würde. Was aufgrund der Vorgeschichte absolut OK für mich war.

Tag 1: Der Söller Zehner (10 km, 300hm)

Nun hieß es aber erstmal am Freitag 10 Kilometer „einzurollen“. Hier gab es zwar auch eine Cut-Off-Zeit im Ziel (1:30 Stunden), aber aufgrund des überwiegend asphaltierten Untergrundes war diese Zeit so großzügig gewählt, dass niemand deswegen aus der Tour ausscheiden sollte. Bei strahlendem Sonnenschein ging es am Freitagabend los. Eine 3,3 Kilometerrunde musste dreimal gelaufen werden. Schnell war die Idee, sich gemütlich für den Kaisermarathon einzutraben, ad acta gelegt. Denn 100 Höhenmeter pro 3,3km-Runde sind ganz schön viel, wenn man im Vorfeld keine Höhenmeter in die Beine bekommen hat. So hieß es die Balance zu finden: Die Anstiege so gut es eben geht hochkommen und beim langen Asphalt-Downhill, der die Muskulatur ordentlich belastete, so muskelschonend wie möglich zu laufen. Nach etwas mehr als einer Stunde trabten wir gemeinsam ins Ziel. Dieser 10km-Lauf war ein bisschen komisch für uns. Denn wir waren beide vom Kopf her schon beim Kaisermarathon und entsprechend waren wir irgendwie erleichtert, als die 10km von Tag 1 der Tour de Tirol hinter uns lagen.

Tag 2: Der Kaisermarathon (2400hm)

Laut Website des Veranstalters gehört der Kaisermarathon zu einem der härtesten Marathons der Welt. Ob dem so ist, können wir nicht beurteilen, denn bisher sind wir nur Straßenmarathons gelaufen. Was wir aber sagen können: Der Kaisermarathon ist definitiv hart. Aber von vorne. Beim Kaisermarathon gibt es insgesamt 4 Cut-Off Zeiten. Nach 7,7km, 19,5km, 34,4km und im Ziel. Zielschluss ist nach 7 Stunden. Ich hatte mir ausgerechnet, dass ich eventuell den 2. Cut-Off noch schaffen könnte, spätestens jedoch bei Kilometer 34,4 für mich Schluss wäre.

Schon nach wenigen Kilometern sagten mir Kopf und Beine: Das geht heute gar nicht. Die kleinen Anstiege zu Beginn machten mir zu schaffen. Wie sollte ich da heute 2400 Höhenmeter absolvieren? Und das auch noch in einem für mich engen Zeitlimit? Ich sagte zu Carsten, er solle sein Tempo laufen. Denn dass er den Kaisermarathon schaffen würde, daran hatte ich keinen Zweifel. Trotz mehrfacher Aufforderung meinerseits, dass er sein Rennen laufen sollte, blieb Carsten an meiner Seite. Er hatte wohl einen anderen Plan.

Noch einmal durchs Dorf und dann ab zum Berg

Bis Kilometer 8,5 läuft es sich wellig, aber insgesamt noch ohne lange Anstiege, so dass man die ersten Kilometer recht zügig auf die Uhr bekommt. Dann läuft man ca. 2km den ersten kleinen Berg hoch. Das ganze ist aber nur ein Aufwärmen für die „richtigen Berge“, die einem noch bevorstehen. Nach 12km kommt dann der erste richtig lange Anstieg. Gut 10 Kilometer geht es stetig hinauf.

Ein Halbmarathon geht immer? – oder doch nicht?

Wir passierten die Cut-Off-Matte von Kilometer 19,5 zehn Minuten vor Cut-Off. (Eine kleine Anmerkung am Rande: Der Cut-Off-Punkt war nicht bei Kilometer 19,5, sondern bei Kilometer 20,x. Es wäre empfehlenswert, wenn der Veranstalter das im nächsten Jahr korrigieren könnte. Denn für die Leute, die knapp innerhalb der Cut-Off-Zeiten unterwegs sind, macht ein Kilometer mehr oder weniger viel aus.)  Uff. Also ging es für uns weiter den langen Anstieg hinauf. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich fertig. Bergauf ist einfach nicht meine Spezialität und die fehlenden Höhenmeter im Training machten sich natürlich bemerkbar. Aber Carsten setzte unbeirrt einen Schritt vor den anderen und so versuchte ich so gut es eben ging hinterher zu kommen. Aber der Berg schien einfach kein Ende zu nehmen. Gefühlt dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis wir endlich die zweithöchste Erhebung des Kaisermarathons erreicht hatten. Das war nach ca. 22,5km. Nun ging es erstmal stetig bergab. Die Anstrengung des langen Anstiegs hatte mich viel Kraft gekostet. Trotzdem tat es gut wieder im Laufschritt vorwärts zu kommen. Als wir nur noch wenige Kilometer vom letzten Cut-Off-Punkt auf der Strecke entfernt waren, dämmerte es mir plötzlich, dass dieser für uns durchaus im Zeitlimit zu erreichen war. Also nahm ich meine Beine nochmal in die Hand und zog das Tempo auf dem langen Downhill vor Kilometer 34,4 an. Wir erreichten 9 Minuten vor Cut-Off-Ende die Zeitmatte, die leider auch hier knapp einen Kilometer später, als eigentlich angegeben, platziert war.

Später erfuhren wir zwar, dass die Cut-Off-Zeiten während des Rennens ausgedehnt wurden. Nichtsdestotrotz ist es sehr ärgerlich, wenn jemand im Rahmen der Cut-Off-Zeit den angegeben, offiziellen Kilometerpunkt erreicht, womöglich aber trotzdem aus dem Rennen genommen wird, weil er die Zeitmatte, die einen Kilometer weiter hinten liegt, eben nicht im Zeitlimit erreicht.

Seilbahn fahren ist was für Touristen!

Nun hatte ich den Salat. Ich hatte mir während des Rennens so schön ausgemalt, dass ich bis Kilometer 34,4 laufen würde, dort dann wegen Cut-Off-Zeitüberschreitung aus dem Rennen genommen werde und dennoch zufrieden von dort mit der Seilbahn zum Ziel fahre. Pustekuchen! Jetzt sollte ich also auch noch den härtesten Anstieg des gesamten Kaisermarathons hochkraxeln. Es mussten nochmal 700 Höhenmeter auf 7 Kilometern überwunden werden. Und das mit bereits 5 Stunden Laufzeit in den Beinen. Und der Anstieg hatte es gleich zu Beginn in sich. Im sehr steilen Anstieg versuchten wir Schritt für Schritt irgendwie vorwärts zu kommen. Der Puls schoss nach oben und nicht nur wir, sondern auch die Läufer*innen um uns herum hatten spürbar zu kämpfen.

Eine Läuferin war so verzweifelt, dass sie trotz ständiger Motivationsversuche ihrer Mitläuferin nach ca. 30 Minuten im Aufstieg endgültig das Handtuch warf und in die entgegengesetzte Richtung des Ziels wieder den Berg zur Gondelbahn hinunterging. Ich konnte ihren Endschluss verstehen. Wenn man an diesem Berg gar keine Kraft mehr hat, dann ist er auch nicht mehr zu schaffen.

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Wenn die Zunge eh bis zum Boden raushängt, kannst du auch durch den Kuhstall rennen. 

Auch wir legten einige Verschnaufpausen beim Anstieg ein, um uns zu sammeln und nochmals alles zu mobilisieren, was an Kraft noch übrig war. Und dann, erneut nach einer gefühlten Ewigkeit, wurde der Anstieg etwas flacher. Immer noch mussten wir steil bergan laufen, trotzdem ging es doch merklich besser vorwärts. Bei Kilometer 37 ging es zum vorletzten Verpflegungspunkt durch einen Kuhstall, was nochmal ein kleines Highlight zur mentalen Aufmunterung war. Danach ging es tatsächlich ein kleines Stück flach vorwärts, wo man Meter machen konnte. Kopf und Körper tat das verdammt gut und ich rollte mich richtig schön ein. Die letzten 2 Kilometer hatten es dann in sich.

Serpentinenartig ging es den Berg bis zur Hohen Salve hinauf. Das Ziel lag schon in Reichweite, aber man konnte eben auch sehen, dass noch einiges an Anstieg vor einem lag. Ich hatte jedoch eine Art Flowzustand erreicht, in dem ich den Berg zwar langsam, aber eben beständig hochstapfte. Einige der Läufer*innen um uns herum pausierten immer wieder kurz im Anstieg. Das war bei mir nun vorbei. Ich setzte stur einen Schritt vor den anderen. Immer und immer wieder. Carsten und ich waren nun beide körperlich am Limit, so dass wir jeder für sich seinen eigenen Rhythmus finden mussten. Während ich also beständig mein langsames Tempo ohne Pause den Berg hochwanderte, setzte Carsten auf einen Pausenrhythmus. Ein Stück zügig hochwandern, dann eine kurze Verschnaufpause nehmen, dann wieder zügig hochwandern, wieder verschnaufen usw. So liefen wir nicht mehr dicht beisammen, sondern einige Meter auseinander, aber immer so, dass wir Blickkontakt hatten.

Ziel/Finish Kaisermarathon Söll Tirol
Auch wenn es nicht so aussieht: Hannah glücklich im Ziel! 
(Foto by Sportograf)

Und dann sah ich das Ziel. Die letzte steile Rampe, die, wie mir ein Zuschauer kurz zuvor zurief, nur noch das finale Schaulaufen für die Fotografen sei, musste ich noch hochwandern. Ich überlegte, ob ich hier auf Carsten warten sollte, der ein kleines Stück hinter mir war. Aber mein Körper konnte nicht anders, als weiter stur Richtung Ziel zu stapfen. Ich wollte einfach nur noch fertig werden und wollte Carsten dann auf seinen letzten Metern zujubeln und ein Zielfoto von ihm schießen. Berauscht und überwältigt von meinen Emotionen überquerte ich die Ziellinie nach 6:50 Stunden. Nie im Leben hatte ich vorher daran geglaubt, dass ich den Kaisermarathon finishen würde.

Geschafft, aber noch nicht vorbei!

Ich jubelte Carsten zu, der auch völlig platt, aber glücklich ins Ziel kam. Was für ein Rennen! Und was für eine Aussicht! Allein dafür hatte es sich gelohnt, sich bis auf die Hohe Salve durchzubeißen!

Den Rest des Abends verbrachten wir nicht nur damit zu reflektieren, was wir an diesem Tag geleistet hatten, sondern hauptsächlich natürlich damit, unseren Körper bestmöglich zu versorgen und die Regeneration voranzutreiben. Denn nun stand ja noch die Krönung der Tour de Tirol an:

Der Pölventrail. Wie es uns beim letzten Rennen des 3-Tages-Wettbewerbs erging und ob wir die Medaille für die Gesamtfinisher der Tour de Tirol in Empfang nehmen durften, erfahrt Ihr in Teil 2 unseres Raceberichts zur Tour de Tirol. Dort werden wir auch ein Fazit zum Tour de Tirol-Wochenende ziehen und Dir Tipps rund um die Tour de Tirol geben.

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